100 Jahre Zementwerk Lengfurt
Ab Mitte der 1890er Jahre hatten Spekulanten die rasch wachsende junge Portland-Zementindustrie entdeckt. Aufgrund des Bahnhofs in Trennfeld auf der gegenüberliegenden Mainseite, dem möglichen Schiffstransport sowie den großen Vorkommen an Kalkstein, war Lengfurt für Investoren interessant geworden.
Der Essener Kaufmann Wilhelm Keienburg, Grubenvorstand der Bergwerksgewerkschaft „Wetterau“ in Weilmünster, hatte im westfälischen Ennigerloh eine Zementfabrik gegründet. Im Sommer 1899 kaufte er Gelände am Alten Berg in Lengfurt, doch ein Jahr später stellte sich heraus, dass er - wie in Ennigerloh - Gelder veruntreut und sich in die USA abgesetzt hatte. Das waren nicht die einzigen Schwierigkeiten. Ein Jahr nach der Grundsteinlegung musste ein Ringofen wegen Rissen in den Fundamenten abgetragen werden. Dadurch kam die „Wetterau“ in eine finanzielle Krise. In dieser Situation übernahm Friedrich Kirchhoff die Bergwerksgewerkschaft und rettete das Unternehmen.
Insgesamt 130 Personen, darunter Kleinbauern mit großen Familien im Tagelohn, erarbeiteten sich hier einen Nebenverdienst, aber auch Handwerker, wie Sattler, Maurer, Schmiede, Schlosser und Küfer fanden eine Anstellung.
Unter Kirchhoffs Leitung wurde das Werk modernisiert und konnte sich am markt behaupten. 1922 verkaufte er es an die Portland-Cementwerke Heidelberg-Mannheim-Stuttgart AG und wechselte in deren Aufsichtsrat. Mitten in der Weltwirtschaftskrise stiftete Kirchhoff den Saalbau an der Würzburger Straße mit Festsaal, Bühne, Küche, Kegelbahn, Schützenstand und Hausmeisterwohnung. Für Lengfurt und die Nachbarorte waren der Saalbau sowie der Betriebssportplatz mit Leichtathletikanlage Einrichtungen, die seinerzeit auch in größeren Orten nicht üblich waren. Ebenso änderte ab 1900 sich einiges im Umfeld des Zementwerks: Über den Main führte eine 642 m lange Seilbahn mit Fernsprechleitung. Sie beförderte 340 t Zement in zwölf Stunden zur Verladestation in Trennfeld und Kohle zurück zum Werk. 1904 wagte sich die Gemeinde Lengfurt mit der Wirtschaftskraft des Zementwerks im Rücken an den Bau der ersten Stahlbrücke über den Main. In der Zeit nach 1945 wurde die Ofenanlage erneut modernisiert. Der Absatz erfolgte jetzt zunehmend per LKW über die Straße und der Bahnanschluss in Trennfeld verlor an Bedeutung. 1965 hatte das Werk 480 Mitarbeitende und damit insgesamt seinen höchsten Stand. Mit der Errichtung einer Wärmetauscherofenanlage im Jahre 1970 entstand mit dem weithin sichtbaren Turm des Vorwärmers eine neue Silhouette. Der Konjunktureinbruch der Ölkrise 1973 erzwang die Steinbruchmodernisierung durch leistungsfähige Großgeräte. Seit den 1980er-Jahren flossen die Investitionen hauptsächlich in die Effizienz von Filteranlagen sowie in zusätzlichen Siloraum für Klinker und Zement.