Fabrikgebäude mit rauchenden Schornsteinen an einem Fluss

150 Jahre Fortschritt

150 Jahre Fortschritt

Porträt eines Mannes mit Koteletten und Bart

Mit nur 35 Mitarbeitenden begann Johann Philipp Schifferdecker 1873 in Heidelberg, den damals völlig neuen Baustoff Portlandzement herzustellen. Damals hätte er sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass Heidelberg Materials 150 Jahre später einer der weltweit größten Anbieter von Baustoffen sein würde – mit rund 51.000 Beschäftigten in über 50 Ländern. 

Worauf gründet sich unser Erfolg? Wird verdanken ihn unserem Streben nach Fortschritt und unserem Fokus auf das, was wir am besten können: Baustoffe. Das half uns, Zement – ein teures Material von schwankender Qualität – so erschwinglich und leistungsfähig zu machen, dass unsere moderne Welt von ihm geprägt ist. 
 

Jemand hält ein Tablet, auf dem ein historischer Film über Heidelberger Zement zu sehen ist

150 Jahre Fortschritt

Unternehmensgeschichte und Unternehmensarchiv

Das Unternehmensarchiv hat in über 25 Jahren zahlreiche Publikationen zur Unternehmensgeschichte veröffentlicht. Diese sind alle als Downloads verfügbar.

Zum Unternehmensarchiv und den Publikationen
Industriegebäude, gebaut über einem Fluss

Gründen, experimentieren, produzieren

Die Gründerjahre

1873–1895

1873 ist Schifferdecker zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und kann seine Idee in die Tat umsetzen. Die Stadt Heidelberg hatte versucht, durch Aufschüttung Land zu gewinnen. Das aufgeschüttete Material war jedoch abgeschwemmt worden, hatte sich im Mühlkanal der Bergheimer Mühle am Neckar festgesetzt und schließlich den Mühlenbetreiber in den Ruin getrieben.

Für Schifferdecker ist die Mühle der ideale Standort für sein Zementwerk: Sie bietet Wasserkraft, die Möglichkeit zum Schiffstransport und die Nähe zur Bahn. Auch das Rohmaterial in der Umgebung scheint geeignet zu sein.

Er ersteigert die Mühle im Konkursverfahren für 258.000 Goldmark (das entspricht heute etwa 1,1 Mio €) und baut sie zu einer Portland-Zementfabrik um.

Der Grundstein für den heutigen Heidelberg-Materials-Konzern ist gelegt.

Industriegebäude, gebaut über einem Fluss

Experimente

1874–1875

Am 5. Juni 1874 wird das Portland-Cement-Werk Heidelberg, Schifferdecker & Söhne als OHG ins Handelsregister eingetragen. Im Folgejahr beginnt die Zementproduktion mit rund 35 Mitarbeitenden.

Die Anfangsjahre sind schwierig: Die Qualität des Gesteins erschwert die Zementproduktion und macht zahlreiche Experimente auf der Suche nach dem idealen Materialmix notwendig. So schließt die frisch gegründete Gesellschaft das erste Geschäftsjahr bei einer Jahresproduktion von 3.200 t Zement mit einem Fehlbetrag von 150.000 Goldmark ab.

Ein knappes Jahr nach Gründung der Gesellschaft wird der gerade erst 25-jährige Zement-Chemiker Friedrich Schott aus Braunschweig als technischer Betriebsleiter eingestellt. Ein Glücksfall für die Gesellschaft: Mit seinem Fachwissen schafft er die Wende in der Entwicklung des Werks.

Schwarz-weiß-Porträt eines Mannes mit Vollbart

Der Produktionsprozess

1876

Der Kalkstein für die Zementproduktion wird von Bauern mühsam mit Brecheisen und Hämmern in ihren am Berg liegenden Äckern gebrochen und mit Pferdefuhrwerken in die Fabrik gebracht.

Der Kalkstein wird in der Mühle gemahlen, angefeuchtet und auf Ziegelpressen gepresst, um anschließend wieder an der Luft getrocknet zu werden. Diese Rohmehlsteine werden dann von Hand in den Schachtofen gesetzt und dort gebrannt. Da das gebrannte Material den Klinkersteinen aus der Ziegelherstellung sehr ähnlich sieht, wird es bis heute Klinker genannt.

Zement wird zu dieser Zeit in Fässern transportiert. Ein gefülltes Fass wiegt 180 kg. Portland-Zement ist teuer und wird daher im Einzelhandel auch tütenweise aus dem Fass verkauft. Die Fässer sind eine so wertvolle Verpackung, dass zurückgesandte Fässer gutgeschrieben, in der firmeneigenen Küferei repariert und wieder gefüllt werden.

Die Jahresproduktion steigt in diesem Jahr auf 7.330 t Zement.

Arbeiter rollen Fässer auf Planken über einen Graben
Eine Wand aus Klinkersteinen

Zerstörung und Wiederaufbau

Die Brandkatastrophe

1895

15 Jahre nach Firmengründung hat die Fabrik ihre Jahresproduktion auf rund 393.000 Fass (66.800 t) Zement gesteigert und beschäftigt inzwischen 750 Mitarbeitende.

Nach dem Tod Schifferdeckers gründen seine Erben 1889 die Aktiengesellschaft Portland-Cement-Werk Heidelberg AG. Eine neue Ära beginnt: Friedrich Schott wird mit 39 Jahren erster Vorstand der Aktiengesellschaft und bleibt dies für die nächsten 30 Jahre.

1895 trifft ein schwerer Schlag die junge Gesellschaft: Am Abend des 4. Februars entdeckt ein Aufseher einen Brand im Werk. Gleichzeitig werden zwei weitere Brandherde gemeldet. Die Fabrikgebäude – größtenteils aus Holz gebaut – brennen bis auf die Grundmauern nieder. Die Dampfmaschinen und Ringöfen werden glücklicherweise nur leicht beschädigt.

Bis heute ist nicht geklärt, wie auf dem Gelände an drei weit auseinander liegenden Stellen gleichzeitig Feuer ausbrechen konnte.

Schwarz-weiß-Bild von Männern, die auf Trümmern stehen

Neubau

1896

Schott verhandelt mit der Stadt Heidelberg über einen provisorischen Wiederaufbau. Allerdings hatte das Werk in den vergangenen Jahren für Missstimmung in der Nachbarschaft gesorgt: Die Produktionssteigerung hatte zu einer erhöhten Staubentwicklung geführt. Nicht selten hatten sich Besuchergruppen der Stadt Heidelberg beklagt, „das Schloss wäre vor Rauchschwaden nicht mehr zu sehen“.

So reift der Entschluss, einen neuen Standort möglichst in der Nähe der Rohstoffe zu suchen. Noch Ende des Jahres geht die moderne Fabrik nach Plänen von Friedrich Schott in Betrieb: im Nachbarort Leimen, 8 km südlich von Heidelberg. Die Verwaltung bleibt in Heidelberg – bis heute.

Rückwirkend gesehen ist der Brand entscheidend für die Weiterentwicklung von Heidelberg Materials. Eine Expansion in Stadtnähe wäre nicht möglich gewesen.

Schwarz-weiß-Bild einer Fabrik mit drei langen Schloten
Schwarzweiß-Bild von Arbeitern in einer Fabrikhalle mit alten Maschinen

Gutes tun und expandieren

Werkseigene Wohlfahrtseinrichtungen

1897

Zusammen mit dem Werk werden eine Waschanstalt, eine Kantine und in unmittelbarer Nähe der Fabrik Werkswohnungen gebaut. Um die Jahrhundertwende entsteht so eine eigene kleine Gemeinde. Nach und nach werden ein Hallenschwimmbad, eine Festhalle, Kindergarten und Werksbücherei fertiggestellt.

Das Leitmotiv ist gut sichtbar über dem Eingang der Festhalle angebracht: „Tages Arbeit – Abends Gäste. Saure Woche – Frohe Feste.“

Zusammen mit den verschiedenen Werksvereinen bilden die werksseitigen Sozialeinrichtungen einen kleinen Kosmos: Angestellte und Verbeamtete sind sowohl in der Arbeitszeit als auch in der Freizeit eingebunden. Die Wohlfahrtseinrichtungen am Standort Leimen dienen später als Maßstab für die kommenden Filialbetriebe.

Kinder stehen vor Stadthäusern, eines von ihnen hält einen Hund

Jahre der Expansion

1899–1913

Im Leimener Werk sind alle Anlagen – Vorbrecherei, Trocknerei, Rohmühle, Ringöfen, Zementmühle und Packerei – in einer einzigen Halle von 500 m Länge vereint. Das ist seinerzeit die größte Industriehalle Deutschlands.

In diesen Jahren expandiert das Unternehmen stetig durch den Kauf von Zement-, Kalk- und Gipswerken im Süden Deutschlands: Als die Nürtinger Portland-Cement-Werke in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, bietet sich für die Heidelberger der erste Expansionsschritt. Durch zahlreiche Spekulationsgründungen und Überproduktion kommt es in Deutschland zum Preissturz für Zement. Unter dem äußeren Druck beschließen die Portland-Cement-Werke Heidelberg und die Mannheimer Portland-Cement-Fabrik AG 1901 die Fusion.

Vier einzelne süddeutsche Zementwerke und weitere Nebenbetriebe vergrößern das Unternehmen in den Folgejahren.

Schwarz-weiß-Bild einer Menschenmasse vor einer Bank

Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise

Der Erste Weltkrieg

1914–1918

Mit Kriegsbeginn kommt die Bautätigkeit fast vollständig zum Erliegen. Absatzrückgang und Kohlerationierung schränken die Produktion in allen Werken ein. In den kleineren Zementwerken muss der Betrieb sogar eingestellt werden. So kann in den beiden großen Werken, Leimen und Weisenau, wenigstens teilweise ein Tagesbetrieb aufrechthalten werden. In den stillgelegten Werken werden mit den Zementmahlanlagen Futter- und Düngemittel hergestellt – auch noch mehrere Jahre nach dem Krieg.

Über 700 Arbeiter und Angestellte der Heidelberger Werke sind im Kriegseinsatz. Der durch den Ersten Weltkrieg verursachte Arbeitskräftemangel führt zu einem verstärkten Einsatz von Frauen und jugendlichen Arbeitern. In den Zementwerken werden Frauen üblicherweise zum Sortieren von Säcken und zum Wagenschieben eingesetzt, während ältere Arbeiterinnen auch im Brennbetrieb arbeiten. Auf Antrag lassen die Gewerbeämter auch Sonntagsarbeit für Arbeiterinnen über 16 Jahren zu. Der Einsatz von Frauen an Maschinen bleibt aber verboten. Die Personalschwierigkeiten halten noch viele Jahre an.

Arbeiterin im Ersten Weltkrieg, im Hintergrund die Wartungswerkstatt des Werks in Leimen.

Arbeiterunruhen und Rationalisierung

1919–1928

Die politischen Umwälzungen führen weg von der Monarchie zur Sozialdemokratie und heben das Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft. Der Organisationsgrad der Beschäftigten in der Zementindustrie war traditionell gering. Gleichwohl sind aus jenen Jahren auch Streiks bekannt. Spannungspunkte sind z. B. das Koalitionsrecht der Arbeiter und die Bezahlung.

Um die große Versorgungskrise der Beschäftigten zu mildern, gewähren die Werksleitungen Hilfe in Form von Naturalien und Brennstoffen. Dazu wird z. B. Gelände für den Kartoffelanbau zur Verfügung gestellt und Heizmaterial zu Selbstkosten abgegeben.

Die Produktivität der Werke verringert sich drastisch – Grund sind u. a. die Einführung des Achtstundentags und der desolate Zustand der Anlagen, eine Folge der Mangelwirtschaft während des Kriegs. Während der Inflationszeit werden nur die nötigsten Investitionen zur besseren Rationalisierung und damit Kostensenkung getätigt. Erst ab 1924, nach der Stabilisierung der Währung, steigt der Absatz wieder. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre werden große Geldsummen in neue Technologien investiert. Leistungsfähigere Großmaschinen sind als Antwort auf die stark gestiegenen Löhne zu sehen.

Arbeiter der Zementfabrik in Blaubeuren vor den Häusern des "Zementdorfs", 1920.

Die Weltwirtschaftskrise

1929–1933

Durch die Weltwirtschaftskrise kommt es zu einer tiefen Rezession und einem spürbaren Absatzrückgang. Das hat periodenweise Stilllegungen in den Werken zur Folge. Der Versand des Unternehmens sinkt im Krisenjahr 1931 auf 397.000 t und entspricht damit dem des Jahres 1903. 1931 stirbt Friedrich Schott.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten versucht die NSDAP, in den Werken Betriebszellen einzurichten, um die politische Einstellung in den Werken zu überwachen. Der Sohn von Friedrich Schott – Dr. Erhart Schott (1879–1968), Vorstandsmitglied und Werksleiter in Leimen – tritt dem entschieden entgegen, da er keine äußere Einmischung im Betrieb duldet. Nicht nur damit zieht er den Zorn der Nationalsozialisten auf sich. Schott kommt in Schutzhaft. Die NSDAP begründet diesen Schritt damit, dass er aufgrund großer Erregung innerhalb der Arbeiterschaft zu seinem eigenen Schutz inhaftiert worden sei. Unter dem Diktat der NSDAP bleibt Schott nichts anderes übrig, als am 9. Mai 1933 von seinen Ämtern zurückzutreten. Otto Karl Hermann Heuer (1877–1960) folgt Schott an die Spitze des Unternehmens.

Menschen stehen auf einem Platz mit einem Baum und einem Brunnen
Schrägluftaufnahme von zerstörten Wohn- und Geschäftshäusern südlich des Stadtparks im Stadtteil Eilbek in Hamburg, Deutschland.

Vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg

Zwischenkriegszeit

1934–1938

Der Versand in Papiersäcken setzt sich durch. Die Fassfabrikation für den Zementversand, die z. B. in Leimen zeitweise über 100 Menschen beschäftigte, wird eingestellt.

In den Werken werden umfangreiche Investitionen zur Steigerung der Produktivität und Kapazität getätigt. Die Zementindustrie steigt im nationalsozialistischen Deutschland zu einer Schlüsselindustrie auf. Zement ist die Grundlage für die gewaltigen Bauvorhaben der Nationalsozialisten und zunehmend auch für die Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg.

Betrieb und Belegschaft unterliegen einer umfassenden Kontrolle durch die Nationalsozialisten. Kritische Äußerungen und Handlungen können zur Entlassung oder gar Inhaftierung führen. Die Zementindustrie nimmt eine günstige wirtschaftliche Entwicklung durch die staatlichen Baumaßnahmen.

Schwarz-weiß-Bild eines alten Lagerhauses mit Güterwaggons und Arbeitern im Hintergrund

Der Zweite Weltkrieg

1939–1945

Die Zementindustrie ist kriegswichtig: Sämtliche Zementwerke bleiben nach Kriegsausbruch in voller Produktion, um den Rüstungsbedarf zu decken. Durch Einberufungen reichen die Arbeitskräfte jedoch bald nicht mehr aus, um das Produktionssoll zu erfüllen. Zunehmend kommen neben Frauen auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten in den Werken zum Einsatz.

Die Werke überstehen den Krieg weitgehend unbeschädigt. Je nach Besatzungszone können sie nach kurzem Stillstand den Betrieb wieder aufnehmen. Jedoch verhindern heruntergewirtschaftete Maschinen und Engpässe in der Energieversorgung eine rasche Produktionssteigerung. Ein Großteil der früheren Beschäftigten ist im Krieg gefallen, in Kriegsgefangenschaft oder kann als Folge der Entnazifizierung nicht eingesetzt werden; es fehlt qualifiziertes Personal. Der Zementversand sinkt auf 14 % des Vorkriegsjahres 1938.

Die amerikanische Militärregierung entlässt den Vorstand und bestellt drei Treuhänder, darunter Dr. Ehrhart Schott. Er wird später wieder Vorstand. Sein unbezähmbarer Schaffensdrang und Ideenreichtum sind legendär im Unternehmen.

Historisches Schwarzweiß-Foto: Eine Arbeiterin und ein Arbeiter stehen neben einer Maschine

Jahre des Wiederaufbaus

1946–1959

In der Nachkriegszeit ist Zement ein gern genommenes Tauschmittel zur Beschaffung von Alltagsgegenständen, wie Kleidung und Schuhwerk. Obwohl Kompensationsgeschäfte verboten sind, drücken die Werksleitungen beide Augen zu, um die materielle Not der Menschen zu lindern. Die Werke geben auch Kohle zu günstigen Konditionen an Mitarbeitende ab, bis dies 1946 von der Besatzungsmacht verboten wird.

In den 1950er Jahren sorgt der Wiederaufbau Deutschlands für einen enormen Aufschwung. Die Zuwachsrate im Baugewerbe beträgt zwischen 1950 und 1965 600 %. Der Zementabsatz vervierfacht sich im selben Zeitraum und führt zu einer technischen Rationalisierung, die einschneidende Veränderungen in der Verwendung, dem Transport und der Lagerung des Zements mit sich bringt. Wurde Zement früher fast ausschließlich in Säcken mit der Bahn transportiert, erfolgt nunmehr die Umstellung auf losen Zement. Dieser wird mit Silo-­Wagen auf die Baustellen und zu Betonwerken transportiert. Die zunehmende Verwendung von Beton als Baumaterial lässt einen Markt für Spezialzemente und Mörtel entstehen.

Schwarz-Weiß-Bild historischer Lastwagen mit Silos auf der Ladefläche
Blaues Meer, in dem die Sonne reflektiert wird

Geschäft erweitern, Strom einsparen

Der erste Schritt ins Ausland

Bürogebäude

1960–1972

Ab Ende der 1950er­ Jahre übernehmen die Portland­-Zementwerke Heidelberg aufgrund der guten Baukonjunktur mehrere deutsche Produktionsstandorte. 1963 unternimmt das Unternehmen den ersten Schritt ins Ausland mit einer Beteiligung an einem französischen Zementwerk, die fünf Jahre später gegen Anteile am französischen Unternehmen Ciments Vicat getauscht wird. Bis 1981 stockt Heidelberg Materials die Beteiligung an Vicat auf 35 % auf, veräußert sie aber schließlich 2007 im Rahmen der Finanzierung des Hanson-Kaufs.

Ab 1960 laufen in allen Werken verstärkt Investitionsmaßnahmen. Die Zementproduktion wird mit der Installation von Lepol-Öfen und Wärmetauscher-Öfen grundlegend erneuert. Der Energieverbrauch wird drastisch gesenkt und die Einführung von Elektrofiltern macht die Umgebung der Zementwerke staubfrei. In dieser Zeit kommen auch wichtige neue Produktionsbereiche hinzu, wie die Herstellung von Transportbeton. Hier zählt Heidelberg Materials zu den Pionieren in Deutschland.

Bis Anfang der 1970er Jahre hält das Absatzwachstum der Zementindustrie trotz konjunktureller Schwankungen beständig an und erreicht 1972 im Jahr der Olympischen Sommerspiele in München den absoluten Höhepunkt.

Die Erdölkrise

Schwarz-weiß-Luftaufnahme einer Fabrik, leere Straßen in der Umgebung

1973

In diesem Jahr feiert Heidelberger Zement sein 100-jähriges Jubiläum und beschäftigt bei einem Zementabsatz von 7,6 Mio t 3.541 Menschen.

Im Oktober 1973 drosseln die OPEC-Staaten die Ölproduktion um 5 %; der Rohölpreis verdoppelt sich. Deutschland wird von der Erdölkrise hart getroffen, da es seinen Energiebedarf zu 55 % aus importiertem Erdöl deckt. Der Bundestag reagiert mit dem Energiesicherungsgesetz, das umfassende Sparprogramme und die Suche nach alternativen Energiequellen beinhaltet. Im November und Dezember gilt sogar an vier Sonntagen Fahrverbot. Auf Autobahnen und Landstraßen wird die Höchstgeschwindigkeit gesenkt und die Abgabemenge für Treibstoff begrenzt. Die von der Krise ausgelöste Rezession führt zu einem starken Rückgang der Bauinvestitionen. Der Zementversand der Heidelberger Werke sinkt deutlich.

Die deutsche Zementindustrie leitet einen tiefgreifenden Rationalisierungsprozess ein. Die Energiekosten sind von 40 % auf 50 % der Herstellkosten gestiegen. So kommt es zur Einführung energiesparender Brennverfahren und zur Umstellung der Ofenbefeuerung von Öl auf die versorgungssichere Kohle.

Der Sprung nach Nordamerika

Arbeiter auf einem Felsen stellen ein Schild auf

1977

Die unsichere Marktlage in Deutschland nach der Ölpreiskrise bewegt den Vorstand, nach potenziellen Übernahme- oder Partnerschaftskandidaten in der nordamerikanischen Zementindustrie zu suchen. Schnell wird Lehigh der Übernahmefavorit. Das Unternehmen ist bei einem deutlich unter Wert liegenden Aktienkurs fast schuldenfrei und verfügt über ausgedehnten Grundbesitz im Mittleren Osten der USA.

Die Übernahme 1977 überrascht die deutschen Mitarbeitenden und auch die Öffentlichkeit, da sie weit über die gewohnten Sphären hinausgeht. Bisher hatten sich Übernahmeaktivitäten hauptsächlich auf Süddeutschland beschränkt. Mit dem Erwerb von Lehigh beginnt ein Jahrzehnt der Expansion europäischer Firmen in Nordamerika.

Dank des technischen Know-hows aus Heidelberg können die Kosten pro Tonne Zement bei Lehigh deutlich verringert und damit die Marktlage nachhaltig verbessert werden – getreu dem Motto des Vorstands Peter Schuhmacher „nicht Marktführer, sondern Kostenführer“ zu sein. Innerhalb von nur drei Jahren gelingt es, den Energieverbrauch von Lehigh um 23 % zu senken und gleichzeitig die Kapazität um 17 % anzuheben.

Energieeinsparung und Diversifikation

Vier Männer, einer von ihnen wurde interviewt und mit einer Kamera gefilmt

1980–1989

Die 1980er: Als Reaktion auf gestiegene Energiekosten wird die Vollautomatisierung der verschiedenen Produktionsschritte vorangetrieben. Im Steinbruch erhöht sich die Produktivität durch den Einsatz von Schwerlastkraftwagen mit 80 t Nutzlast.

Der Einsatz von alternativen Brennstoffen hilft, die stark gestiegenen Brennstoffkosten teilweise zu kompensieren. Durch die hohen Temperaturen in den Klinkeröfen und die bereits vorhandene Rauchgasreinigung können z. B. Altreifen verbrannt werden, ohne dass dabei Giftstoffe freigesetzt werden.

Im Bereich der Zementmahlung wird die Gutbettwalzenmühle im großen Rahmen in Leimen erprobt. Nach dem Prinzip der Hochdruck­zerkleinerung ermöglicht dieser neue Mühlentyp Energieeinsparungen von bis zu 20 % und findet in kürzester Zeit weltweite Verbreitung.

Unter dem Vorstandsvorsitzenden Peter Schuhmacher entstehen zahlreiche neue Geschäftsfelder: Zement, Beton, Baustofftechnik, Kalk-Gips-Putz, Bauelemente, Kunststoff-Druck-Papier sowie Verkehr und Sonderbereiche führen zu einer Neugliederung des Konzerns. Diese horizontale Diversifizierung folgte einem Trend der Zeit, der auch in anderen Industriezweigen üblich ist: eine Reaktion auf die starken Konjunkturschwankungen.

Rotes Frachtschiff auf dem Meer

Globales Geschäft

Die Internationalisierung beginnt

1989–1996

Ab 1989 nutzt Heidelberger Zement die weltpolitische Entwicklung für eine beschleunigte Internationalisierung durch Akquisitionen in zahlreichen Ländern Osteuropas. Das Unternehmen bleibt dort jahrelang der größte ausländische Baustoff-Investor.

Um die Aktivitäten auf weitere Länder mit Wachstumspotenzial auszudehnen, wird 1993 der belgische Baustoffkonzern Cimenteries CBR S.A. zunächst zu 40 % und 2001 vollständig übernommen. Mit CBR hat Heidelberger Zement einen idealen Partner für die Entwicklung zu einem internationalen Baustoffkonzern gefunden. Beide Unternehmen ergänzen sich sowohl in geografischer Hinsicht als auch in ihrem Produktangebot.

Bereits 1995 wird die Internationalisierung durch eine Beteiligung an China Century Cement Ltd. fortgesetzt und im Jahr darauf mit der Gründung des türkischen Gemeinschaftsunternehmens Akçansa. Akçansa zählt heute zu den größten Zementproduzenten in der Türkei.

Transportbeton-LKW wird von einem Mann mit Helm gereinigt

Der Aufstieg zum Global Player

1999

Die schlechte Lage der Bauwirtschaft in Deutschland ab Mitte der 1990er Jahre forciert das weitere Wachstum des Unternehmens und die Übernahme des schwedischen Baustoffkonzerns Scancem 1999. Als einziger Hersteller in Norwegen, Schweden und Estland ist Scancem in Skandinavien unangefochtener Marktführer. In Großbritannien ist der Konzern der zweitgrößte Zementhersteller. Neben Zement- und Mahlwerken in mehreren afrikanischen Ländern südlich der Sahara und einem Importterminal in Bangladesh betreibt Scancem auch Produktionsstandorte in den USA.

Der Erwerb von Scancem ist ein weiterer wichtiger Schritt bei der geografischen Diversifizierung von Heidelberger Zement, der sowohl die Expansion in reife Märkte als auch neue Chancen auf Wachstumsmärkten in Afrika und Asien bietet. Heidelberger Zement wird dadurch zum drittgrößten Zementhersteller weltweit.

1999 baut Heidelberger Zement durch eine Mehrheitsbeteiligung an der maxit Holding GmbH auch die Trockenmörtel-Aktivitäten in Europa aus.

Mann in Schutzkleidung steht an einem Geländer und schaut auf ein Zementwerk

Zement für das Wachstum von Morgen

2000–2002

Das Unternehmen expandiert weiter und erwirbt Mehrheitsbeteiligungen an Zementwerken in Bosnien-Herzegowina, Rumänien, der Ukraine und Russland.

Besondere Bedeutung hatte die Mehrheitsbeteiligung am zweitgrößten indonesischen Zementhersteller Indocement im Jahr 2001. Indocement betreibt unter anderen drei große Zementproduktionsstätten auf den Inseln Java und Borneo. Aufgrund der boomenden Zementnachfrage baut Indocement seine Werke kontinuierlich aus und verfügt 2013 über eine Zementkapazität von 18,6 Mio t. Das Zementwerk Citeureup ist mit einer Produktionskapazität von knapp 12 Mio t das größte im ganzen Konzern.

Das Wachstum der vergangenen Jahre und vor allem der starke internationale Anteil führen dazu, dass der Konzernname 2002 internationalisiert und in HeidelbergCement geändert wird.

Zwei Männer mit weißen Helmen stehen auf einer Treppe vor einem Zementwerk
Chart der HeidelbergCement-Aktie auf einem Tablet

Wachstum und Krise

Führungswechsel und weitere Investitionen in Wachstumsmärkte

2004–2005

Während die Expansion auf den osteuropäischen und asiatischen Märkten voranschreitet, kämpft die deutsche Bauwirtschaft immer noch gegen starke Umsatzrückgänge und Preisverfall an. Die lange Talfahrt der Baukonjunktur führt zu Kapazitätsanpassungen bei allen Zementherstellern.

2005 erwirbt die Merckle-Gruppe fast 80 % der Aktienanteile. Im Januar 2005 erfolgte ein Wechsel an der Spitze des Unternehmens: Dr. Bernd Scheifele, der bereits im Mai 2004 den Vorsitz im Aufsichtsrat von HeidelbergCement übernommen hatte, folgt Hans Bauer als Vorsitzender des Vorstands.

Die zunehmende Marktreife in Osteuropa führt nun auch hier zu verstärkten Investitionen in den Bereichen Transportbeton und Zuschlagstoffe. Mit Markteintritten in Kasachstan, Georgien und Indien in den Jahren 2005 und 2006 wird der Grundstein für weiteres Wachstum in diesen Ländern gelegt. Vor allem das Engagement in Indien wird in den folgenden Jahren rasch ausgebaut. 2013 betreibt HeidelbergCement Zementwerke und Mahlanlagen in Zentral- und Süd-Indien.

Mann im Anzug steht vor einer Galerie Mitarbeitender

Wandel zum Baustoffkonzern

2007

Im Jahr 2007 vollzieht Heidelberg Materials die bis dahin größte Übernahme im Baustoffsektor mit dem Erwerb des britischen Baustoffkonzerns Hanson PLC. Hintergrund ist eine Neuausrichtung der Konzernstrategie. Mit Hanson, einem weltweit führenden Zuschlagstoffunternehmen, sichert sich Heidelberg Materials eigene Ressourcen: Beton, der am stärksten nachgefragte Baustoff der Welt, besteht hauptsächlich aus Zuschlagstoffen (Sand und Kies) und Zement.

Diese vorläufig letzte und größte Übernahme wird weitgehend durch Fremdkapital finanziert, aber auch durch den Verkauf der Töchter Vicat und maxit. Das Unternehmen konzentriert sich – wieder – auf sein Kerngeschäft und wandelt sich von einem Zementproduzenten zu einem Baustoffkonzern. Neben der Weltmarktführerschaft bei Zuschlagstoffen gewinnt das Unternehmen insbesondere attraktive Marktpositionen in den USA, Großbritannien, Israel, Malaysia und Australien hinzu. Vor allem in Großbritannien, wo Heidelberg Materials bisher ausschließlich im Zementgeschäft tätig war, und in den USA betreibt Heidelberg Materials seither ein dichtes Netz an Produktionsstandorten in allen Geschäftsbereichen.

Mann mit Helm und verspiegelter Sonnenbrille

Die Finanz- und Wirtschaftskrise

2008–2010

Die weltweite Finanzkrise führt zu einer Veränderung der Aktionärsstruktur der HeidelbergCement AG. Der Konzern erhöht im September 2009 das Grundkapital um 50 %, gleichzeitig werden 57,2 Mio Aktien der Merckle-Gruppe an der Börse umplatziert. Dadurch steigt der Streubesitz auf rund 75 %, Ludwig Merckle bleibt aber mit einem Anteil von 25 % der größte Einzelaktionär. Als Folge des erhöhten Streubesitzes wird HeidelbergCement 2010 als erstes deutsches Unternehmen im Bau- und Baustoffsektor in den Leitindex DAX-30 aufgenommen.

Im selben Jahr wird die Organisationsstruktur neu gegliedert. Die Unterteilung erfolgt jetzt in die fünf geografischen Konzerngebiete: West- und Nordeuropa, Osteuropa-Zentralasien, Nordamerika, Asien-Pazifik und Afrika-Mittelmeerraum. Im sechsten Konzerngebiet Konzernservice sind die weltumspannenden Handelstätigkeiten zusammengefasst. Innerhalb der geografischen Konzerngebiete sind die Aktivitäten des Konzerns in vier Geschäftsbereiche untergliedert: Zement, Zuschlagstoffe, Bauprodukte, Beton-Service-Sonstiges.

Chart der HeidelbergCement-Aktie auf einem Tablet
Gelber Muldenkipper transportiert Felsen in einem mehrstufigen Steinbruch umgeben von Grünflächen

Material für die Zukunft

Nachhaltiges Wachstum in attraktiven Märkten

2011–2012

Seit der Übernahme von Hanson bilden Zement und Zuschlagstoffe die Basis der dualen Rohstoff- und Wachstumsstrategie von Heidelberg Materials. Gegenwärtig liegt der Schwerpunkt der Investitionen hauptsächlich auf dem Ausbau der Zementkapazitäten in den Wachstumsmärkten Asiens, Afrikas und Osteuropa-Zentralasiens.

2012 wird ein internationaler Forschungswettbewerb zum Thema Biodiversität gestartet und zum ersten Mal der Quarry Life Award verliehen: Mit 300 eingereichten Projekten in 18 Ländern ist die erste Runde des Wettbewerbs ein voller Erfolg. Die drei ersten Plätze belegen Projekte aus der Tschechischen Republik, aus Ghana und Großbritannien.

Drei Personen pflanzen einen Setzling

Erweiterung des Heidelberg-Materials-Konzerns

2016

Am 1. Juli 2016 hat die HeidelbergCement AG den Erwerb einer Beteiligung von 45 % an Italcementi S.p.A abgeschlossen.

Heidelberg Materials und Italcementi passen perfekt zusammen. Durch die Übernahme wird Heidelberg Materials weltweit zur Nummer 1 bei Zuschlagstoffen, Nummer 2 bei Zement und Nummer 3 bei Transportbeton.

Heidelberg Materials betritt neue wichtige Märkte, wie Frankreich und Italien in Europa, Ägypten und Marokko in Nordafrika und Thailand in Südostasien. In den USA, Kanada, Indien und Kasachstan wird die Übernahme die bereits bestehenden Marktstellungen weiter stärken.

Der erweiterte Konzern ist in rund 60 Ländern tätig mit 63.000 Mitarbeitenden und über 3.000 Standorten. Heidelberg Materials betreibt 156 Zementwerke mit einer Produktionskapazität von 197 Mio t Zement pro Jahr, mehr als 1.700 Transportbetonwerke und über 600 Förderstätten für Zuschlagstoffe.

Gruppe von Menschen, die in einem Kreis stehen und sich an den Händen halten

Eine globale Marke: Heidelberg Materials

2023

Unsere Zukunft ist nachhaltig. Unsere Zukunft ist digital. Und sie geht weit über Zement hinaus. Wir entwickeln unser Portfolio, unsere Produkte und unsere Dienstleistungen weiter, um die Transformation unserer Branche anzuführen. Unsere neue, repräsentative, starke und globale Marke Heidelberg Materials gibt dieser Transformation ein Gesicht und einen Anker.

Wir bleiben immer Heidelberg im Herzen, ein vertrauenswürdiger Weltmarktführer in unserer Branche mit 150 Jahren Erfahrung. Ein Unternehmen, das viel mehr als Zement war und bleiben wird. Ein Unternehmen, das am besten funktioniert, wenn wir auf unseren globalen Stärken aufbauen.

Mit vereinten Kräften sind wir führend bei der Senkung der Kohlenstoff-Emissionen. Für eine Kreislaufwirtschaft im Bauwesen leisten wir Pionierarbeit und erschließen Kundenvorteile durch Digitalisierung. Wir entwickeln intelligente und nachhaltige Baustoffe.

Zwei grüne LKW-Fahrmischer stehen vor dem Eingang der Heidelberg-Materials-Hauptverwaltung

Material für die Zukunft

Seit 1873 haben unsere Baustoffe zahllose Innovationen in aller Welt ermöglicht. Neuerungen, die uns heute selbstverständlich erscheinen, damals aber bahnbrechend waren: Von Wolkenkratzern bis hin zu Flug- und Seehäfen, von Autobahnen bis hin zu U-Bahnen, Brücken und architektonischen Meisterwerken – die Baustoffe von Heidelberg Materials waren das Fundament zu all diesen Errungenschaften.

Mehr denn je braucht unsere heutige Welt intelligente, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur, Gebäude und öffentliche Räume. Angesichts von Herausforderungen wie Ressourcenknappheit und dem Klimawandel müssen wir die Art und Weise, wie wir Baumaterialien produzieren und einsetzen, weiterentwickeln.

Heidelberg Materials bündelt seine Kräfte weltweit, um diesen Fortschritt voranzutreiben. Schon jetzt sind wir Branchenführer, wenn es um CO₂-Reduktionsziele geht, und Vorreiter bei innovativen Technologien wie der CO₂-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung. Außerdem entwickeln wir neue, intelligente Materialien, um das Bauen nachhaltiger zu machen. Dazu treiben wir die Digitalisierung unserer Branche voran, um unseren Kunden neue, smarte Lösungen anzubieten. 150 Jahre Fortschritt, Innovation und Fachkompetenz ermöglichen es uns und sind uns Verpflichtung, eine nachhaltigere Zukunft für kommende Generationen mitzugestalten.