Schleusenkammer Nord-Ostsee-Kanal

Ein Bypass für eine der wichtigsten Verkehrsadern der Schifffahrt: Das Westende des Nord-Ostsee-Kanals erhält eine fünfte Schleusenkammer – mitten zwischen den bereits vorhandenen Schleusen. Feinarbeit und die richtige Betonmischung sind auf der Baustelle gefragt.

Der Nord-Ostsee-Kanal ist eine der meistbefahrensten künstlichen Seeschifffahrtsstraßen weltweit. In Brunsbüttel überwinden je zwei Doppelkammer-Schleusen den Höhenunterschied des Wasserstands von Elbe und Ostsee. Nun müssen sie dringend Instand gesetzt werden. Eine Arbeit, die Jahre in Anspruch nimmt. Doch ausfallen darf keine von ihnen – für eine solch wichtige Verkehrsader käme das einem Herzinfarkt gleich. In Brunsbüttel wird daher ein Bypass gebaut, in Form einer fünften Schleusenkammer. Das neue Bauwerk findet Platz auf der Insel zwischen der bisherigen sogenannten Kleinen und Großen Schleuse. Beim Bau ist besondere Behutsamkeit geboten, denn die vorhandenen Schleusen in unmittelbarer Nähe dürfen nicht beeinträchtigt oder gar beschädigt werden. Große Erschütterungen müssen vermieden werden.

Dementsprechend begannen die Arbeiten an der Baugrube nicht herkömmlich mit dem Bau gerüttelter oder gerammter Spundwände, sondern mit der Errichtung vertikaler Schlitzwände. Dieses Spezialverfahren zur Herstellung von Schleusen- und Uferwänden hält die Erschütterungen des Bodens so gering wie möglich: Ein Spezialgreifer hob dazu den Boden über eine Breite von 1,20 Meter und eine Länge von jeweils acht Metern (in drei Stichen) lotrecht bis zu 40 Metern Tiefe aus, während gleichzeitig eine tonhaltige Suspension, das Tonmineral Bentonit, als Stützflüssigkeit in den entstehenden Schlitz gepumpt wurde. Diese verhindert das Einstürzen des Schlitzes. In ihn konnten dann die Schlitzwandlamellen überlappend eingestellt werden ‑ eine absolute Präzisionsarbeit, da die einzelnen Schlitzwandlamellen lotrecht eine durchgehende Wand bilden müssen.

War der Schlitz bis auf die erforderliche Tiefe ausgehoben, wurde der Spundwandfuß durch Zugabe von Spezialzement in die untere Stützwandflüssigkeit betoniert. Auf ihn wurden dann die 40 Tonnen schweren Trag- und die Füllbohlen abgestellt. Durch weitere Zugabe von Zement in die noch vorhandene Stützwandflüssigkeit bei fortlaufendem Austausch entstand ein Gemisch im Wandschlitz, das beim Aushärten eine tragfähige Stützung der Trag- und Füllbohlen sicherstellte. Umfangreiche Messanlagen kontrollierten die ganze Zeit über eventuelle Auswirkungen auf die benachbarten Schleusen, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu garantieren.

Auch bei der Verankerung der Schleusenkammer im Boden ging man einen Sonderweg, um Erschütterungen des Erdreiches nach Möglichkeit zu vermeiden: Mit schrägen, sogenannten Düsenstrahlpfählen wurden ihre Wände gegen den Erd- und Wasserdruck gesichert. Bei diesem Hochdruckinjektionsverfahren (HDI-Verfahren) bohrten Facharbeiter mithilfe eines Bohrgerätes per Überlagerungsbohrverfahren ein 244 Millimeter großes Loch 30 bis 40 Meter tief in den Boden. Im zweiten Schritt düsten sie mit dem HDI Gerät über Hochdruckschläuche und ein spezielles Düsengestänge eine Zementsuspension mit rund 400 Bar ins Erdreich. Dabei wird der Boden erodiert und Zement eingebracht – alles per Computer gesteuert. Der Düsenstrahl schneidet den Boden auf und die Suspension vermischt sich mit dem Untergrund – in Brunsbüttel waren dies Sande mit Kies – und wird zum sogenannten Düsenstrahlkörper. Dieser ist etwa sieben Meter lang und hat einen Durchmesser von 1,10 Metern. Noch vor dem Aushärten wurden in ihn die Zugglieder aus geripptem Rundstahl eingebaut und das Bohrloch mit Spezialzementsuspension verfüllt.

In der Schleusenkammer sind 1.690 solcher Anker geplant. Da sie mindestens die kommenden 100 Jahre halten sollen, stellt die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) an sie hohe geometrische und materialtechnische Anforderungen. Bereits im Vorfeld hat daher die bauausführende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) „Neubau 5. Schleusenkammer Brunsbüttel“ eine Reihe von Probepfählen angefertigt. Sebastian Grote, Bauleiter der ARGE, erklärt: „Hier gibt es keine Standardlösung. Bei den Probebohrungen haben wir Herstellparameter wie Pumpendruck, Pumpmenge, Umdrehungs- und Ziehgeschwindigkeit des Düsengestänges in enger Abstimmung mit BAW und Wasser- und Schifffahrtsamt immer wieder angepasst, um die geforderte Qualität und Langlebigkeit in den Böden vor Ort zu erreichen.“

In fünf Jahren soll der Bypass gesetzt, die fünfte Schleusenkammer fertiggestellt sein. Dabei wird sie mit einer Länge von 350 Metern ganze 20 Meter länger sein als die bisherige Große Schleuse und damit noch größeren Schiffen die beliebte Abkürzung durchs Land ermöglichen.

HeidelbergCement liefert diverse CEM III Zemente, insgesamt ca. 35.000 Tonnen, und ca. 15.000 Tonnen Dichtwandmasse für das Projekt.

Objektdaten

  • WTM Engineers GmbH, Hamburg

    Architekt

  • ARGE Neubau 5. Schleusenkammer Brunsbüttel (Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, Hamburg; Wayss & Freytag Spezialtiefbau GmbH, Düsseldorf; Bam Civiel, Gouda, Niederlande)

    Bauunternehmen

  • 2020

    Fertigstellung

Schleusenkammer Nord-Ostsee-Kanal, Deutschland. Die neue Schleusenkammer wird ganze 20 Meter länger sein als die bisherige Große Schleuse.

Schleusenkammer Nord-Ostsee-Kanal, Deutschland. Vorbereitende Abdichtungsarbeiten, die vor dem Aushub der Baugrube zum Bau der fünften Schleusenkammer notwendig sind.

Schleusenkammer Nord-Ostsee-Kanal, Deutschland. Auf der aktuell größten Wasserbaustelle kommen auch sogenannte Dichtwandgreifer zum Einsatz (im Vordergrund), zum Beispiel beim Bau von Schlitzwänden.